1000 Jahre Wathlingen: Die Kolonie
(mt) Wer die L 311 nach Hänigsen fährt, passiert hinter dem Kreisel eine größere Freifläche, bevor die Bebauung wieder beginnt. Bis heute besteht nämlich eine räumliche Trennung zwischen Kolonie und Dorf.
1902 war die Kaligesellschaft „Niedersachsen“ gegründet worden, 1905 begannen die Abteufarbeiten und 1911 wurden erstmals Kalisalze verschickt. In der Anfangszeit kamen und gingen die Arbeiter, die weder zum Werk noch zum Dorf eine enge Beziehung entwickelten. Sie wohnten in den umliegenden Gasthöfen oder in Kammern bei den Bauern. Die Fluktuation tat weder dem Werk noch dem Dorf gut. Die Kaligesellschaft versuchte daher die Arbeiter vor Ort zu halten.
Schon im Oktober 1905 war das erste „Beamtenhaus“ („Industriebeamte“ heißen später „Angestellte“) an der Ecke Zum Bröhm/Riedelstraße fertig gestellt. Es war die Keimzelle der in den folgenden Jahren entstehenden „Kolonie“, die die Riedel-, Niedersachsen- und Knappenstraße sowie In der Aue und Zum Bröhm umfasste. 1906 folgten die ersten vier Häuser für Arbeiterfamilien. 1911 wurden an der Riedelstraße 17 Häuser mit 68 Wohnungen gebaut, 1911 kamen 10 weiter hinzu. Ende der 20er Jahre wurden 47 Häuser gezählt. In jedem Haus gab es 4 Arbeiterwohnungen. Jede Wohnung umfasste vier Räume mit Keller und Stallungen für Schweine und Ziegen sowie Gartenland und einer Waschküche pro Haus. Durch Abwandlung vorgegebener Architekturformen zeigen die Mehrfamilienhäuser noch heute ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild. Seit 1911 wohnte der Fabrikleiter in einer repräsentativen Villa in der Niedersachsenstraße. Seine Nachbarn waren der Grubeninspektor und der Betriebsleiter.
Von Anbeginn war das Verhältnis zwischen Kolonie und Dorf gespannt. Hier die alteingesessene Dorfgemeinschaft, deutsch-hannoveranisch-konservativ geprägt, dort eine sozialdemokratisch gesonnene Arbeiterschaft. 1907 gründetet sich folgerichtig die Ortsgruppe der SPD, deren Gründungsmitglieder fast alle auf der Kolonie wohnten. Das Nebeneinander von Dorf und Kolonie ließ sich in den 20er- und 30er-Jahren an dem Nebeneinander der Vereine ablesen: zwei Sportvereine (MTV und die Freie Turnerschaft), zwei Theatergruppen, zwei Radfahrvereine (Adler und Solidarität), zwei Kegelklubs.
Heute sind alle Häuser verkauft und modernisiert. Die Eigenständigkeit der Kolonie ist bis heute eine Besonderheit der Wathlinger Dorfgemeinschaft.