1000 Jahre Wathlingen: Zwischen Himmel und Erde

(mt) Spätestens der zweite Blick bemerkt die im Vergleich mit den Bauernhäusern andere Architektur, die zentrale Lage gegenüber der Kirche, das repräsentative Etwas: das evangelische Pfarrhaus in der Kirchstraße.

1859 stufte Zimmermeister Scheller aus Bröckel in einem Gutachten das alte Pfarrhaus als hoffnungslos baufällig ein. Daraufhin beschloss 1864 das Königlich Hannoversche Consistorium (die oberste Verwaltungsbehörde der Evangelischen Kirche), in Wathlingen ein neues Pfarrhaus in Massivbauweise zu errichten, denn es war wohl schwierig, an hartes Holz zu kommen. Aber im Dezember desselben Jahres fällt dann doch die Entscheidung für die Fachwerkbauweise. Das Holz steuerte wohl der Kirchenpatron von Lüneburg bei, weitere Gelder die Gemeinde und das Consistorium.

1866 war das neue Pfarrhaus mit seinen 18 Räumen bezugsfertig. Auf der linken Seite (von der Straße aus gesehen) gab es eine Konfirmandenstube, die 40 Konfirmanden Platz bot und zur Freude der Pfarrersfrau über den Hof zu erreichen war. Auf dieser Hausseite lagen auch die Küche, die Speise– und Räucherkammer sowie dahinter das Bad. Repräsentativer Mittelpunkt des Hauses war das durch eine dreigeteilte Tür zu betretende, hochwertig ausgestattete Studierzimmer des Pfarrers. Von hier gelangte man über eine sechsstufige Treppe aus Wesersandstein in den Pfarrgarten, der aus einem Blumen- und Nutzgarten, einer Streuobstwiese und einem Parkteil bestand. Das große Esszimmer lag neben dem Studierzimmer. Der rechte Teil war Familienräumen vorbehalten. Im Obergeschoss fanden sich weitere Familienzimmer, Kammern für die Dienstboten und Abstellräume. Zum Pfarrgrundstück gehörte auch eine Scheune, die später als Gemeindehaus genutzt wurde.

Überall kam dem evangelischen Pfarrhaus seit der Reformation eine besondere Bedeutung zu. Einerseits als Gebäude, das Geborgenheit verheißt, andererseits als Vorbild einer christlichen Lebensform. Seit dem 19. Jahrhundert schüttelte das evangelische Pfarrhaus auch auf den Dörfern zusehends den Charakter des bäuerlichen Nebenerwerbsbetriebes ab und wurde auch hier zu einem Hort der Bildung und Kultur und zu einem Leuchtturm gegen säkularen Sinnverlust. In den dunkelsten Jahren Deutschlands entwickelte es sich zu einem Bollwerk gegen Barbarei und gegen die weitgehende Entkirchlichung der ländlichen Bevölkerung. Heute hat sich im Pfarrhaus viel abgeschlossene Privatsphäre herausgebildet, es ist nicht mehr von besonderem Interesse als Vorbild für andere Häuser. Aber geblieben ist ein Hauch von Beständigkeit: Pastoren wechseln, Pfarrhäuser bleiben.

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