1000 Jahre Wathlingen: Tanzende Reiher
(mt) Die meisten Besucherinnen und Besucher des 4G biegen vorher rechts ab in das Restaurant oder den Großen Saal. Nur wenige werfen einen Blick in den Lichthof und entdecken die 1,60 m große Tierbronze „Hochzeitstanz der Reiher“ des bekannten Darmstädter Bildhauers Gotthelf Schlotter (1922-2007).
Wer über den Uetzer Weg das Dorf verlässt, die Umgehungsstraße überquert und das Spargelfeld links liegen lässt, gelangt in den Gutsforst. Dort horstete noch Anfang des 20. Jahrhunderts eine Reiherkolonie. Der Heidedichter Hermann Löns (1866-1914) setzte diesen stolzen Vögeln in seinem kurzen Text zu Wathlingen ein literarisches Denkmal. Damals zählte er noch mehr als 30 Brutpaare im Wathlinger Forst. Den Besitzern der Fischteiche und den Flussfischern waren diese Fischräuber allerdings ein stetes Ärgernis, dem sie nachstellten. Jedes Jahr, wenn das Wasser der Fuhse noch auf den Wiesen stand, kamen die Graureiher aus dem Süden, bezogen ihre derben Horste und zogen ihre Jungen groß. Im Juli wurde es wieder still im Forst, denn die alten und jungen Reiher verteilten sich. Einige fischten in der Fuhse, andere in der Aller, wieder andere zogen weiter zur Weser, Ems und Elbe, bevor sie im Herbst in den Süden aufbrachen. Etwas zu pessimistisch prophezeite Hermann Löns um 1900 das baldige Aussterben der Reiher. Immerhin wurden dieses Jahr wieder vier Graureiher in der Feldmark gesehen.
Als am 4. Juni 1981 das ehemalige Bürgerhaus auf dem Gelände, auf dem heute ein Supermarkt und ein Altenheim stehen, eingeweiht wurde, stiftete Kali und Salz für den Vorplatz die Reiherplastik. Die vielfältige Symbolik des Kunstwerks weist einmal auf Wathlingens Geschichte zurück, zum anderen war sie gedacht als Zeichen für das Verbindende zwischen heimischer Industrie und Heimatgemeinde. Weil der Künstler den Termin nicht einhielt, musste der Fabrikdirektor zunächst ein Modell übergeben, bevor im Herbst die Plastik ihren Bestimmungsort erreichte. Niemand ahnte, dass keine zwei Jahrzehnte später die Kaliindustrie über Nacht dem Dorf den Rücken zukehren würde.
Als das marode Bürgerhaus 2012 aufgegeben werden musste, rettete Bürgermeister Harms die Plastik vor dem Abrissbagger und ließ sie an ihrem heutigen Platz aufstellen.